Rundmail (10. 02. 2003)

Liebe Freunde und Verwandte!

Nun ist es also soweit - auch das dritte Semester hat sich so lange dem Ende geneigt, bis es nicht mehr verhindern konnte, tatsächlich zu enden. Das war am Freitag der Fall. Wer jetzt denkt "Und schon wieder sitzt der faule Student zu Hause...", hat damit recht. Allerdings bin ich nicht ganz so inaktiv, wie obige Formulierung andeutet.

Die VfZ ist wie immer arbeitsreich. Zunächst einmal gibt es zwei Prüfungen vorzubereiten, nämlich die TM-Prüfung am 25.2. und die Physik-B-Prüfung am 4.3.

TM bedeutet nicht "Transzendentale Meditation", wie viele Leute gerne behaupten, sondern "Theoretische Mechanik". Dabei geht es in erster Linie um Formalismen aus der theoretischen Physik, mit denen physikalische Systeme beschrieben werden. Das beginnt bei der Physik des Massenpunktes über verallgemeinerte Koordinaten und Potentiale zum Lagrange- Formalismus (eine Theorie, mit der man recht einfach Gleichungen für die Bewegung eines Systems aus einer einzigen Funktion, der sog. Lagrange-Funktion herleiten kann. Diese ist die Differenz aus kinetischer und potentieller Energie.) Weiter geht es mit dem Hamiltonschen Prinzip (das besagt, dass entlang eines physikalischen Weges das Integral über die Lagrange-Funktion minimal wird) zum Hamilton-Formalismus. Dieser benutzt eine andere Funktion, nämlich die Hamilton- Funktion, die man leicht aus der Lagrange-Funktion erhält. Auch hier kann man wieder die Bewegungsgleichungen erhalten, vor allem aber die Symmetrieeigenschaften studieren. (Apropos Symmetrie: Natürlich wurde auch das Noether-Theorem behandelt, das einen Zusammenhang zwischen Symmetrien (z.B. Homogenität der Zeit) und Invarianzen (in diesem Fall Energieerhaltung) herstellt.) Nach einer Einführung in kanonische Transformationen (hat auch mit Symmetrie zu tun) ging es zum starren Körper. Hier sind alle Arten von Kreiseln zu finden. Das Semester endete mit einem kurzen Blick in die Kontinuumsmechanik, die schwingende Saiten und elastische Verformungen ebenso behandelt wie fließende Flüssigkeiten.

Die zweite Prüfung bezieht sich auf die Physik3-Vorlesung: Einführung in die Quantenphysik und statistische Physik. Während erstere noch leicht verdaulich ist (wenn man einmal davon absieht, dass punktförmige Teilchen nicht mehr an einem festen Ort sind, sondern "verschmiert", dass Elektronen im Atom keine Bahnen beschreiben, dass man prinzipiell nicht beliebig genau messen kann und dass manche Dinge einfach verboten sind.), stellt letztere eine umfangreiche Theorie dar, die als einzige Annahme voraussetzt, "dass die Würfel nicht gezinkt sind". So formulierte es der Dozent. Damit meinte er, dass alle Mikrozustände, die ein System einnehmen kann, gleich wahrscheinlich sind. Daraus folgen dann solch interessante Dinge wie Entropie, der zweite Hauptsatzt der Thermodynamik und natürlich die Quantenstatistik, die spätestens seit dem Nobelpreis für Carl Wieman, Eric Cornell und Wolfgang Ketterle für die Bose-Einstein-Kondensation beliebtes Thema ist. Bei letzterer wird ein dünnes Gas unter sehr kleinem Druck in einer speziellen Falle (einer MOT - Magneto-Optic Trap, also magnetooptische Falle, bestehend aus Magnetfeldern und Lasern) so stark abgekühlt, dass ein großer Teil der Atome in den niedrigsten Energiezustand übergeht. Dieses Verhalten wurde bereits in den Zwanzigern von Albert Einstein vorhergesagt, nachdem dieser eine Arbeit des indischen Physikers Bose zum Thema Hohlraumstrahlung gelesen hatte. Bose hatte dabei die Quantenstatistik auf die Strahlung (Photonen) angewandt und damit die Plancksche Formel hergeleitet. Einstein erkannte, dass die gleiche Statistik auf für besimmte Atome, nämlich solche mit ganzzahligem Spin (man nennt sie heute Bosonen) gelten muss. Natürlich muss ich noch darauf hinweisen, dass Bose- Einstein-Kondensation auch in Hamburg durchgeführt wird. Das Institut für Laserphysik unterhält eine Forschungsgruppe, die sich damit befasst. Wer Interesse hat, findet die Gruppe unter http://www.physnet.uni-hamburg.de/ilp/sengstock/

Wenn man als Student noch etwas fachfremdes, aber unter allen Studenten gemeinsames lernt, dann die optimale Nutzung der eigenen Freizeit. (Letzteres ist ein Fremdwort, auf das ich hier leider nicht näher eingehen kann und daher auf einschlägige Literatur verweise.) Zur Zeit ärgere ich mich mit Windows herum und versuche Linux zu lernen - ein mühseliges Geschäft. Da mir aber alles nicht so recht zusagt, habe ich jetzt beschlossen, ein eigenen Betriebssystem zu schreiben (das hat wahrscheinlich jeder, der einmal mit Windows gearbeitet hat - nur nicht jeder ist so verrückt, sich an einen Computer zu setzen und tatsächlich etwas zu schreiben). Rechner zum Probieren habe ich inzwischen genug (der häufigste Satz, den ich höre, beginnt mit "Brauchst du noch..."), vielleicht wird früher oder später einer davon mit meinem System booten...

Aber auch die Arbeit in der Vorlesungsvorbereitung geht weiter. In der VfZ werde ich drei Wochen dort verbringen, mit etwas Elektronik und dem Webprojekt, an dem ich schon länger arbeite. Das habe ich inzwischen nach XML portiert, da HTML einfach zu sperrig war. Mit einer kompletten XML-Applikation schreibt es sich viel leichter. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die neue Version online geht.