Liebe Freunde und Verwandte,
nach einem ereignisreichen siebten Semester und einem vierwöchigen Praktikum ist es wieder mal an der Zeit für eine kleine Rundmail. Die vergangenen Wochen waren wieder mal recht ereignisreich - manchmal sogar für meinen Geschmack etwas zu sehr.
Im Semester durfte ich mal wieder zwei Vorträge halten - darunter endlich mal einen Vortrag über mein Lieblingsthema mit dem Titel "Das Higgs-Teilchen - eine theoretische Einführung". Wer sich das mal ansehen möchte (keine Sorge, auch Laien haben etwas davon, wenn auch nur die beiden Videos), findet die Folien und Videos unter www.manuelhohmann.de/mhohmann/Download/Pub/index.html bei den übrigen Publikationen. Zum vollständigen Verständnis braucht man leider ein wenig Quantenfeldtheorie. Nach meinem Vortrag waren noch zwei Professoren wach und haben mich mit Fragen gelöchert. Ein Freund von mir hatte auch eine Frage - wo der nächste Kaffeeautomat sei.
Etwas später habe ich noch einen Vortrag über das CERN (www.cern.ch) gehalten, wo gerade ein neuer Beschleuniger namens LHC gebaut wird, was für Large Hadron Collider steht und besagt, dass er schwere Teilchen zur Kollision bringen soll. Wer nun denkt, die Google-Suche nach LHC bei CERN sei eindeutig, der irrt genau wie ich. Zunächst musste ich feststellen, dass auch eine Musikgruppe bei CERN (ja, so etwas gibt es wirklich - eine Hochernergie-Musikgruppe) mit LHC abgekürzt wird - Les Horribles Cernettes, zu finden unter http://musiclub.web.cern.ch/MusiClub/bands/cernettes. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, dem empfehle ich ein Lied namens "Collider", das man dort in Wort, Bild und Ton finden kann.
Während des Praktikums durfte ich auch einen Vortrag halten, in diesem Fall über die energiedispersive Röntgenanalyse, kurz EDX. Soll heißen, man lenkt einen Elektronenstrahl auf eine Probe und schaut sich an, was dabei an Röntgenstrahlung herauskommt. Die hängt vom Probenmaterial ab. Man kann also mit dieser Methode eine Materialanalyse durchführen. Ziel dieser Analyse war es, eine 1-Euro-Münze zu untersuchen. Das ganze wurde mit einem Rasterelektronenmikroskop durchgeführt. Eine Beschreibung der Zusammensetzung sowie ziemlich viele Bilder von so weltbewegenden Dingen wie einem Cornflake, einem Stück einer CD, Papier, einem Rosenblütenblatt, Blumenerde, Hefe und einen Barthaar habe ich ebenfalls bei meinen Publikationen zusammengestellt.
In der zweiten Woche durfte ich den Quanten-Hall-Effekt untersuchen, einen Effekt bei tiefen Temperaturen und hohen Magnetfeldern in bestimmten elektronischen Bauelementen. Hohe Magnetfelder hieß im Versuch bis zu 6 Tesla, was dem 200000-fachen des Erdmagnetfeldes entspricht. An dem Magneten bzw. an dessen Isoliergefäß klebten ein paar Münzen. Der eigentliche Magnet bestand aus meheren supraleitenden Spulen in einem Heliumbad bei 4,2K, also -269°C. Bei dieser Temperatur verliert Niob seinen elektrischen Widerstand und man kann problemlos 100A hindurchschicken, ohne Verluste. Der Effekt war auch deutlich zu sehen - Klaus von Klitzing hat übrigens dafür den Nobelpreis bekommen.
Die dritte Woche behandelte das Theme Mikrowellenspektroskopie. Glücklicherweise konnte ich auf ein paar Erfahrungen mit Hochfrequenztechnik aus einer Facharbeit zurückgreifen. Im wesentlichen ging es darum, eine magnetische Probe in einem Magnetfeld mit Mikrowellen zu bestrahlen und so ihre Magnetisierung zu beeinflussen, um Schlüsse auf ihre magnetischen Eigenschaften zu ziehen. Lieder kam dabei fast nur Unsinn heraus - aber zum Glück erklärbarer Unsinn, denn die Probe saß wohl schief im Halter.
Die letzte Woche war wohl die spannendste, denn der Versuch fand bei der GKSS statt, dem Geesthachter Kernforschungszentrum (www.gkss.de). Dort wird ein Forschungsreaktor betrieben, um mit den Neutronen Materialanalysen durchzuführen. Während meines Praktikums wurden leider gerade die Brennstäbe gewechselt, deshalb war der Reaktor offline und hat keine Neutronen produziert, weshalb dieser Teil der Messung leider entfallen musste. Dafür durfte ich die Proben, zwei dünne Filme, mit Röntgenstrahlen untersuchen um so das Material und die Schichtdicke zu bestimmen. Die erste Probe war eine eigens dafür am ersten Tag hergestellte Schicht von Kohlenstoff auf Silizium. Bei der zweiten Probe handelte es sich um einen Multi-Layer, also ein Mehrfach-Schichtsystem aus 30 Lagen Eisen/Cobalt und Chrom. Zu letzterem gab es dann noch Daten einer Neutronenmessung quasi aus der Konserve, die die magnetische Struktur zeigen. Interessanterweise ergab sich bei den Neutronen die doppelte Schichtdicke wie bei der Röntgenmessung - ein klares Zeichen dafür, dass benachbarte Schichten in entgegengesetzte Richtungen magnetisiert (für Physiker: antiferromagnetisch gekoppelt) sind und die Neutronen jeweils zwei Schichten erfassen.
Das interessanteste an dem Versuch waren aber sicher die Sicherheitsvorkehrungen für den Zugang zum Reaktorgebäude. Als ich Montag früh an der GKSS ankam, musste ich zunächst einen Passierschein ausfüllen. Dann wurde ich zum Reaktorgebäude geschickt. Dort habe ich mir einen Parkplatz gesucht und schon mal einen Blick auf das Gebäude geworfen, von dem ich noch durch einen Elektrozaun getrennt war. Überwachungskameras, Sicherheitspatroullien - wie in einem Spionagefilm. Ich bin also zur Schleuse gefahren, um zum Praktikumsbetreuer zu gelangen. Eine Dame hinter einer Sicherheitsglasscheibe verlangte meinen Ausweis und gab mir ein Formular. Als ich das ausgefüllt hatte, bekam ich einen elektronischen Ausweis. Wenig später kam mein Betreuer und wir gingen erst mal in ein anderes Gebäude, um die Probe herzustellen. Nach der Mittagspause gingen meine Kommilitonen (die sich verlaufen und somit verspätet hatten) und ich wieder zum Reaktorgebäude - und die folgende Prozedur wiederholte sich für jeden Aufenthalt darin.
Zuerst benötigt man ein Dosimeter (ein kleines Gerät, das aufzeichnet, welche Strahlendosis man während des Aufenthalts abbekommen hat). Das testet man auf Funktion und bestätigt das mit der elektronischen Zugangskarte. Mit dem Dosimeter (das man von nun an stets mitführt) kann man durch die Schleuse, inklusive Personenkontrolle. Kofferkontrolle gehört auch dazu. Dann ist man schon fast im Gebäude und darf nun auch in die Experimentierhalle. Bevor man die verlässt, muss man sich vor einen Kontaminationsmonitor stellen - ein Gerät, mit dem man bestimmen kann, ob man irgendwelche radioaktiven Stoffe an Händen oder Kleidung hat. Beim Verlassen des Gebäudes gibt es einen zweiten Kontaminationsmonitor. An der Schleuse wird dann das Dosimeter ausgelesen und die persönliche Strahlendosis ermittelt. (Die darf einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten und wird deshalb überwacht.) Wieder durch die Personenkontrolle geht es nach draußen. Den Passierschein sollte man vom Betreuer unterschrieben dem Pförtner geben.
So viel mal wieder zum Praktikum - meinem letzten. Jetzt folgt nur noch Theorie - im Sommer mit vier Prüfungen, danach mit der Diplomarbeit. Natürlich nicht ohne weitere Rundmails.