Liebe Freunde und Verwandte,
nachdem ich mal wieder ein paar Monate tief in physikalischen Gedanken versunken war, ist es mal wieder an der Zeit, einen kleinen Bericht zu schreiben. Wie jedes Mal gibt es einiges zu erzählen...
Da wären zunächst die vier Diplomprüfungen, die ich inzwischen alle hinter mich gebracht habe. Außer der Nebenfachprüfung in reiner Mathematik mit Schwerpunkt Gruppen- und Darstellungstheorie durfte ich mich noch in "Struktur der Materie" mit Schwerpunkt Elementarteilchen, dem Wahlfach Quantenfeldtheorie und in theoretischer Physik prüfen lassen. Am interessantesten gestaltete sich mit Sicherheit die Prüfung in Struktur der Materie. Ich wurde überwiegend in Festkörperphysik und Kernphysik ausgefragt, aber mein Schwerpunkt Teilchenphysik wurde kaum behandelt. Hinterher sagte mir die Professorin, die ich schon länger kenne und die mich auch schon ganz gut kennt, sie wollte mich ja schließlich Dinge fragen, von denen Sie sich nicht schon sicher sei, dass ich sie wüsste... Die schönste Prüfung war aber die in Quantenfeldtheorie, meinem Wahlfach, das mir auch in der Vorlesung am besten gefallen hat. Der Professor hatte schon lange niemanden mehr geprüft, weil er seit Jahren keine Vorlesung gehalten hatte. Er sagte mir vorab, die Prüfung sei nichts anderes als eine gemütliche Unterhaltung - und genau so war es auch. Fast schon nebenbei landete eine Formel nach der anderen auf meinem Blatt Papier, bis ich schließlich bei der Erzeugung von Higgs-Teilchen in modernen Teilchenbeschleunigern angelangt war.
Zur Zeit meiner Quantenfeldtheorieprüfung war ich wieder einmal als studentische Hilfskraft in der Experimentalphysik tätig, diesmal aber für das Fortgeschrittenenpraktikum, das ich selbst erst ein Jahr zuvor absolviert hatte. Drei Wochen lang durfte ich Praktikant(inn)en betreuen und ihnen den Umgang mit einem Messprogramm namens LabView sowie den Aufbau elektronischer Schaltungen beibringen. Außerdem hatten sie die Möglichkeit, ihr frisch erworbenes Wissen bei der Messung des Wirkungsgrades von Solarzellen und der Bewegung eines Doppelpendels anzuwenden.
Nachdem ich alle Prüfungen hinter mir hatte, wurde es Zeit für die Diplomarbeit. Ich habe mich bei einigen Professoren umgehört und auch gleich einige interessante Angebote bekommen - "Teilchenerzeugung nach dem Urknall", "Die Temperaturentwicklung des Universums", "Wechselwirkung kosmischer Strahlung mit dem kosmischen Mikrowellenhintergrund". Aber letztendlich war es ein Gespräch mit dem Stringtheoretiker Prof. Jan Louis, das mich überzeugt hat, in seiner Forschungsgruppe die Diplomarbeit zu schreiben. Da ich mich bereits mit Stringtheorie befasst hatte, hat er mir ein paar Themen in dieser Richtung angeboten - von denen mir eines sofort gefallen hat. Es handelt sich um die AdS/CFT- Korrespondenz, ein Theorem, das Stringtheorie und einen besonderen Typ von Feldtheorie miteinander verbindet. Also habe ich nur wenige Tage später zugesagt und schreibe nun seit dem 18. November an meiner Diplomarbeit mit dem Titel "Der Quanten-Bethe-Ansatz auf einen AdS3-String-Hintergrund". Und damit bin ich nun ein echter DESYaner.
Zwischendurch durfte ich auch mal wieder einen Vortrag halten. Mein Zahnarzt hat mich gebeten, seinen "Studienkollegen" die allgemeine Relativitätstheorie näher zu bringen. Also bin ich abends mit Laptop und Beamer im Gepäck zu deren "Vereinshaus" gefahren. Dort stellte sich schnell heraus, dass es sich um eine schlagende Vereinigung handelte. Nachdem ich mein Equipment aufgestellt und getestet hatte, gab es erst mal was zu Essen - Ente. Leider gab es nur Bier zu trinken und sonst nichts - zum Glück auch alkoholfreies, aber mir lag das trotzdem nicht besonders... Schließlich durfte ich dann meinen Vortrag halten und mit einer langen Diskussions- und Fragerunde endete der Abend. Ich habe bereits eine weitere Einladung zu einem Vortrag bekommen - im April werde ich einen ähnlichen Vortrag für die 11. Klassen eines Hamburger Gymnasiums halten.
Leider wird es noch eine Weile dauern, bis ich wieder in meinem Büro sitze und über langen Gleichungen brüte. Vor zwei Wochen habe ich mir bei einem kleinen Autounfall den rechten Arm gebrochen. So lange der nicht ganz geheilt ist, darf ich nicht fahren. Im Moment könnte ich das aber ohnehin nicht, weil mein Auto auch Schrott ist und ich ein neues brauche. Aber zum Glück ist mir ein Gips erspart geblieben - stattdessen halten zwei Titanplatten meine Knochen in Position. So kann ich den Arm schon wieder ohne Probleme bewegen, schreiben, tippen und damit vor allem von zu Hause aus an meiner Diplomarbeit weiter arbeiten!
Viele Grüße, frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!