Rundmail (nach langer Zeit) (22. 09. 2008)

Liebe Freunde und Verwandte,

fast 3 Jahre ist meine letzte Rundmail nun her, die ich kurz nach Beginn meiner Diplomarbeit geschrieben habe, am II. Institut für theoretische Physik der Uni Hamburg. Seitdem ist nicht nur viel Zeit vergangen, sondern auch sehr viel passiert. Beginnen wir chronologisch.

Zunächst einmal habe ich meine Diplomarbeit mit dem Titel "Quantum aspects of spinning strings on AdS_3 × S^3 × T^4 with RR-flux" im Februar 2007 erfolgreich abgeschlossen. In meiner Arbeit habe ich die Energien von rotierenden Strings auf gekrümmten Räumen sowohl klassisch, als auch im Rahmen der Quantenmechanik berechnet und damit einen Beitrag zur Überprüfung eines Teilbereiches der Stringtheorie geleistet, der als AdS-CFT-Korrespondenz bekannt ist. Wer sich für Details interessiert, findet meine Diplomarbeit unter:

http://www.desy.de/~mhohmann/pub/thesis.pdf

Seitdem darf ich mich Diplomphysiker nennen - kurz, Dipl.-Phys. - worin ich vor allem eine Verpflichtung für die Zukunft sehe, das im Studium erlernte Wissen so gut es geht einzusetzen, um etwas sinnvolles damit anzufangen. Deshalb habe ich auch schon einen Tag nach Abgabe meiner Diplomarbeit mit der Doktorarbeit begonnen, ebenfalls am II. Institut für theoretische Physik der Uni Hamburg. Allerdings befasse ich mich nun eher am Rande mit den Strings und untersuche hauptächlich eine völlig neuartige Theorie, bzw. arbeite überhaupt erst an ihrer Entwicklung. Die grundlegende Idee besteht darin, den "klassischen" Ansatz zur Vereinigung von Gravitation und Quantentheorie, nämlich die "Quantisierung" einer klassischen Gravitationstheorie, umzukehren: Stattdessen beginne ich mit einer Quantentheorie, die ich "geometrisiere", also eine Geometrie daraus ableite, in der sich die allgemeine Relativitätstheorie formulieren lässt. Die Hoffnung besteht darin, dass man auf diese Weise eine "natürliche", geometrische Beschreibung der Quantentheorie und schließlich eine Quantentheorie der Gravitation bekommt. Entsprechend trägt meine Arbeit den vorläufigen Titel "Classical geometry and quantum gravity".

Wem das ganze nun sehr abstrakt und theoretisch erscheint, dem kann ich versichern: Das ist es auch. Den größten Teil meiner Zeit verbringe ich mit Mathematik, speziell mit so alltagsfremden Gebieten wie Topologie, Differentialgeometrie und Funktionalanalysis, die den meisten Menschen wohl ebenso leicht den Kopf schwirren lassen wie die Vorstellung eines unendlichdimensionalen, in sich gekrümmten Raumes, aus dem durch eine Projektion die uns bekannte Raumzeit hervorgeht. Genau so erfolgt nämlich die Konstruktion der klassischen Raumzeit, wie sie in der allgemeinen Relativitätstheorie vorkommt, aus dem zentralen Objekt meiner Theorie: Der Quantenmannigfaltigkeit.

Wer näheres darüber erfahren möchte, den verweise ich auf meinen ersten Artikel mit dem Titel "Quantum manifolds with classical limit", der am Freitag erschienen und unter folgender Adresse zu finden ist:

http://arxiv.org/abs/0809.3111

In dem Artikel wird zunächst einmal die grundlegende mathematische Struktur einer Quantenmannigfaltigkeit vorgestellt und einige ihrer (mathematischen) Eigenschaften beleuchtet, die für die Konstruktion einer Gravitationstheorie notwendig sind. Außerdem wird ein einfaches (ebenfalls mathematisches) Konstruktionsbeispiel für Quantenmannigfaltigkeiten gezeigt. In meiner folgenden Arbeit soll es nun darum gehen, weitere mathematische Eigenschaften zu untersuchen und schließlich physikalische Theorien im Rahmen dieses neuen Modells zu formulieren, in der Hoffnung, so einen neuen, geometrischen Zugang zur Quantentheorie zu finden.

Es gibt also noch sehr viel zu tun!

Viele Grüße von der Elbe, Manuel

PS: Aktuelle Infos über meine Arbeit gibt es nun auch auf meiner DESY-Homepage, zu finden unter:

http://www.desy.de/~mhohmann