Kein Frühstück - keine Gnade

Wer mich kennt, weiß, dass ich ein recht umgänglicher Mensch bin, mit dem man es gut aushalten kann - was sich jedoch auch ändern kann, wenn man versucht, mir meine Zeit, meinen Besitz, meine Rechte oder mein Essen zu nehmen. Vor allem mein Essen. Das ist etwas, bei dem ich ganz gewiss keinen Spaß verstehe und das ich nicht mit mir machen lasse. Aber gut, zum Anfang.

Wie es Physiker nun einmal so tun, hatte ich beschlossen, eine Reise zu einer Konferenz in Spanien anzutreten, und zwar ins (so sagte man mir jedenfalls) schöne Barcelona. Dort gibt es im wesentlichen zwei Arten von Übernachtungsmöglichkeiten: teure und noch teurere. Nach einiger Suche fand sich dann aber doch eine, die man einem gemäßigten Preissegment zuordnen konnte, und die gemäß ihrer Webseite auch ein Frühstück anbot. Bei der Buchung wirkten die Mitarbeiter zwar ein wenig inkompetent, aber das schob ich auf kulturelle Unterschiede - möglicherweise eine Spätfolge der Siesta. Schließlich gelang die Buchung und so machte ich mich mehr oder weniger frohen Mutes auf den Weg.

Die Herberge erwies sich als bescheidene Einrichtung in einer Seitestraße irgendwo im nirgendwo. Bescheiden im wörtlichen Sinne. So erwiesen sich Bettdecken als unbekannte Luxusartikel, und die neben dem Zimmer befindliche Gemeinschaftsdusche stellte sich schnell als Lärmquelle heraus, die keiner gängigen Norm unterzuordnen war. Das Zimmer hatte zwar keine Fenster (die sich mangels sehenswerter Aussicht ohnehin nicht gelohnt hätten), aber dafür verhielt sich die im Zimmer befindliche Klimaanlage wie Microsoft Windows, indem sie ständig einen Neustart durch den Administrator verlangte, um mehr schlecht als recht ihren Dienst zu verrichten. Entsprechend wenig erholsam war die Nacht. Immerhin schien man in diesem Etablissement Humor zu verstehen, denn als etwas anderes als einen Witz konnte man das dort angebotene Frühstück nicht bezeichnen. Eine lieblos auf die Anrichte geworfene Packung Toastbrot und eine Schale mit fertig abgepackten Marmeladen und Nougatcreme, sowie Teebeutel und ein Wasserkocher. Frühstück für MacGyver.

Man hätte es ja durchaus drei Tage lang an einem Ort aushalten können, der ein minimalistisches, spartanisches, um nicht zu sagen verschwindendes Frühstück anbot, wäre da nicht die Geißel des Übernachtungsgastes gewesen: inkompetente Angestellte. Der Albtraum eines jeden Reisenden. Mir waren auf meinen Reisen ja schon einige Exemplare dieser Spezies begegnet, aber diese beiden schossen wirklich den sprichwörtlichen Vogel ab. Als sich erst vor Ort herausstellte, dass dort das Frühstück erst am 8 Uhr "serviert" (also auf den Tisch gelegt) werden würde, was in den nachfolgenden Tagen nicht mit meinem Terminplan vereinbar war, habe ich am kommenden Abend einem der Mitarbeiter meinen Wunsch mitgeteilt, am nächsten Morgen früher zu essen, und er wollte dies an seine Kollegen weitergeben. Die schienen am nächsten Morgen aber nichts davon zu wissen und behaupteten steif und fest, die Küche sei "geschlossen" und sie müssen das Frühstück zuerst "vorbereiten". Auf meine Frage, was es dort "vorzubereiten" gäbe, da am Vortag nichts anderes getan war als es auf den Tisch zu legen (was ich dank gesunder Hände auch selbst bewerkstelligen kann), hieß es nur "das Frühstück", und dass ich mir ja stattdessen die eigenen Vorräte aus dem Kühlschrank nehmen könne, der sich in der (wohl bemerkt "geschlossenen") Küche befand. Ein kurzer Griff nach der Türklinke auf dem Weg zum Kühlschrank zeigte dann auch auf wundersame Weise, dass die Tür sich problemlos öffnen ließ - was die Kompetenz der Angestellten dort offenbar überschritt. Da auch Tee und Wasserkocher wider Erwarten vorhanden waren, begann ich kurzerhand damit, mir einen Tee zu machen, exakt wie am Tag zuvor, denn dafür stand der Wasserkocher schließlich dort - was vom dortigen Personal mit einer Mischung aus Verwunderung und Unbehagen aufgenommen wurde. Noch weniger begeistert war man von meiner Feststellung, dass auch das Toastbrot exakt an seinem angestammten Platz leg und keinerlei Vorbereitung bedurfte. Meinen Wunsch, selbiges zu essen (da ich ja für das Frühstück bezahlt hatte und es offenbar vorhanden war) konterte man mit einer Drohung, die Polizei zu rufen, da ich in die Küche eingebrochen wäre (in die sie mich aber nur Minuten zuvor selbst zum Kühlschrank geschickt hatten). Davon gab ich mich verständlicherweise wenig beeindruckt, und als auch mein Gegenüber erstaunlicherweise erkannt hatte, dass man mich so nicht von meinem Frühstück abbringen können, "erlaubte" man mir, Toastbrot für einen Tag mitzunehmen - woraufhin ich mir natürlich gleich Vorrat für den nächsten Tag mitnahm, statt noch einmal von den gleichen Holzköpfen mein Essen erstreiten zu müssen. Auf mein Angebot hin, das angebotene "Frühstück" am nächsten Tag in meinem Zimmer zu verspeisen, hieß es zwar, das wäre "nicht möglich", aber da ich nicht auf den Kopf gefallen bin, bewies ich dem Personal gerade einmal 24 Stunden später, dass sie sich im Irrtum befanden, indem ich dort meinen Vorrat verspeiste. Da dies zwangsläufig Krümel hinterlässt, dürfte das selbst den beiden Angestellten früher oder später aufgefallen sein.

Natürlich blieb das Verhalten der Angestellten nicht ohne eine schriftliche Beschwerde meinerseits an ihren Vorgesetzten. Was daraus geworden ist, steht zwar mangels Kommunikation in den Sternen, aber dass ich dafür keine positive Bewertung hinterlasse, versteht sich von selbst. Wer mir mein Frühstück nicht gewähren will, dem gewähre ich auch keine Gnade.