Captain Benjamin Jonas ging in seinem Bereitschaftsraum auf und ab. Die Tigerclaw lag nun schon zwölf Tage im Raumdock, fast doppelt so lange wie geplant. Immer wieder gab es Verzögerungen. Langsam fragte er sich, warum man die neue Waffe nicht schon viel früher installiert hatte, statt das Schiff an der Grenze patroullieren zu lassen. Noch vor ein paar Wochen war alles ruhig gewesen. Aber gerade jetzt, wo jeder mit einem baldigen Angriff der Catan rechnete, lag das Flaggschiff der Unionsflotte im Raumdock und wurde aufgerüstet. Wenigstens war der Einbau fast abgeschlossen, aber noch war die Waffe weder kalibriert noch getestet, und das konnte dauern. Viel zu lange im Angesicht der Lage. Schon seit Tagen meldeten die Außenposten zunehmende Aktivität jenseits der Grenze. Da braute sich etwas zusammen, das stand fest. Aber er konnte nichts dagegen tun.
Seine Gedanken wurden von einem eingehenden Ruf unterbrochen. Er ging an seinen Schreibtisch und schaltete den Bildschirm ein. Admiral Denning meldete sich mit ernster Stimme: "Ich habe schlechte Nachrichten. Soeben hat Außenposten 17 gemeldet, dass dich eine Flotte der Catan nahe Rigel der Grenze nähert. Sie werden in weniger als 40 Stunden dort eintreffen. Ich habe bereits die Flotte dorthin beordert, aber auf die Tigerclaw können wir nicht verzichten. Sobald der Einbau der Plasmawaffe abgeschlossen ist, werden Sie sich auf den Weg machen. Dr. Cohen wird an Bord bleiben und sie unterwegs kalibrieren." Captain Jonas ließ sich seine Anspannung nicht anmerken. "Verstanden, Admiral. Ich werde meine Crew umgehend informieren." - "Viel Glück, Benjamin." Dann beendete er die Verbindung.
Mit ruhiger Stimme klärte Captain Jonas seine Crew darüber auf, was sie zu erwarten hatte. Die Techniker des Raumdocks und der Tigerclaw arbeiteten noch härter als bisher und schafften es innerhalb von nur drei Stunden, den Einbau abzuschließen. Wenig später war die Crew der Tigerclaw komplett an Bord und die Besatzung des Raumdocks hatte das Schiff verlassen. Captain Jonas gab den Befehl zum Auslaufen. Langsam schob sich das riesige Schiff aus dem Dock, eine wahre Präzisionsarbeit, denn es gab nur wenig Spielraum. Doch nach wenigen Minuten schwebte die Tigerclaw im freien Raum. Der Steuermann setzte Kurs auf den Rigel-Sektor und fuhr die Maschinen hoch. Der Boden vibrierte, als der Antrieb seine volle Leistung erreichte und das Schiff auf volle Geschwindigkeit brachte.
In den folgenden Stunden arbeitete die Crew rund um die Uhr daran, die Plasmawaffe vollständig an die Energieversorgung des Schiffes anzukoppeln und die bestehenden Verbindungen zu überprüfen. Es wurden Doppelschichten eingelegt. Dr. Cohen, der leitende Ingenieur des Plasmawaffen-Projektes, überwachte die kritischsten Schritte und führte sie selbst durch, wenn er mit der Arbeit der Besatzung nicht zufrieden war. Nach weiteren 28 Stunden war die Waffe praktisch einsatzbereit - es fehlten nur ein Testlauf und die Kalibration. Es waren nur noch drei Flugstunden bis Rigel und die übrige Flotte war bereits eingetroffen. Captain Jonas ordnete einen Testlauf an. Die Tigerclaw unterbrach ihre Reise und hielt in einem kleinen Sternensystem Ausschau nach Asteroiden.
Die Anspannung der Crew war kaum zu beschreiben. Captain Jonas sah sich um. Marc Nolen, sein erster Offizier, und Dr. Cohen waren die Ruhe selbst. Der taktische Offizier Dan Wilson wirkte unruhig, als könne er es kaum abwarten, den roten Knopf zu drücken. Schließlich verkündete Steuermann John Hibbs: "Wir nähern uns jetzt dem Asteroidenfeld. In Richtung 23 zu 19 befindet sich ein Asteroid, der den Zielvorgaben entspricht." Captain Jonas stand auf und ging auf den Bildschirm zu, der nun den Asteroiden im Mittelpunkt zeigte. "Ausgezeichnet. Es wird Zeit für ein Zielschießen! Computer, Stimmenüberprüfung durchführen für Captain Benjamin Jonas." Der Computer antwortete monoton: "Identität bestätigt." - "Authorisation Stufe 1 für Einsatz der Plasmakanone." - "Stufe 1 authorisiert." Nun übernahm der erste Offizier: "Computer, Stimmenüberprüfung für Commander Marc Nolen." - "Identität bestätigt." - "Authorisation Stufe 2 für Einsatz der Plasmakanone." - "Stufe 2 authorisiert." Schließlich vervollständigte Waffenoffizier Dan Wilson die dritte Stufe mit seinem Stimmencode. Die Plasmawaffe war geladen und feuerbereit.
"Ziel erfasst.", meldete Dan Wilson. Der Captain nickte. "Feuer!" Ein weiß leuchtender Plasmaball verließ die Kanone und traf den Asteroiden. Der Bildschirm wurde in ein gleißendes Licht gehüllt. Als man wieder etwas erkennen konnte, blickten alle gespannt auf die Stelle, wo der Asteroid gewesen war. Noch immer zog der Asteroid seine Bahnen, noch nicht mal seine Oberfläche war beschädigt. Der Captain war außer sich. "Was ist passiert? Da sollte jetzt nur noch ein Häufchen Staub sein!" Dr. Cohen fand schnell die Erklärung. "Sir, so wie es aussieht haben wir einen Saboteur an Bord. Der Plasmaerzeuger ist durchgebrannt, offensichtlich hat jemand den Plasmaauslass blockiert. Ohne Plasmaerzeuger ist die Waffe wertlos."
Auf der Brücke herrschte Totenstille. Die Wunderwaffe, auf die alle gehofft hatten, hatte sich förmlich in Rauch aufgelöst. Captain Jonas sank in seinen Sessel. Es war keine Zeit für einen Rückflug zum Raumdock, und einen Ersatz für den Plasmagenerator hatten sie nicht an Bord. Dan Wilson meldete sich zu Wort: "Wir haben noch zwei Fusionszellen an Bord, wenn wir die umbauen, können wir das Plasma vielleicht in die Kanone einspeisen." Er blickte zu Dr. Cohen. "Das wäre denkbar, allerdings sind Druck und Temperatur des Fusionsplasmas wesentlich höher als bei den ursprünglich vorgesehenen Plasmazellen. Es ist fraglich, ob die Geschützrohre das aushalten. Aber es ist die einzige Möglichkeit." - "In Ordnung, bauen Sie sie ein", befahl Captain Jonas. "Wie lange brauchen Sie?" - "Mindestens 6 Stunden", schätzte Dr. Cohen. "Dann bleibt keine Zeit für einen Test. Machen Sie sich umgehend ans Werk. Steuermann, alten Kurs wieder aufnehmen. Volle Geschwindigkeit!"
Als die Tigerclaw drei Stunden später den Flottenverband erreichte, waren die Umbauarbeiten noch immer im Gange. Die Tigerclaw setzte sich an die Spitze der Flotte, umrandet von einigen weiteren Schlachtkreuzern der gleichen Klasse. Die Eaglewing und die Bearpaw flankierten an Backbord, während die Falconeye und die Lionheart an Steuerbord postiert waren. Zahlreiche kleinere Angriffskreuzer sowie mehrere Geschwader von Angriffsjägern vervollständigten die Flotte. Nie zuvor waren so viele Schiffe an der Grenze versammelt gewesen. Captain Jonas übernahm das Kommando über die Flotte, während sein eigenes Schiff immer noch umgebaut wurde. Nach vier weiteren Stunden verkündete Dr. Cohen, dass der Umbau abgeschlossen war. Nun hieß es warten.
Nach zweistündigem Warten war es dann so weit. Die Flotte der Catan näherte sich der Grenze. Sie war fast doppelt so stark wie die Unionsflotte. Captain Jonas entschied, die Plasmakanone in Feuerbereitschaft zu halten. Ruhig begann er mit der Initialisierungssequenz: "Computer, Stimmenüberprüfung durchführen für Captain Benjamin Jonas." - "Identität bestätigt.", antwortete der Computer. - "Authorisation Stufe 1..." - "Nein!" Steuermann John Hibbs unterbrach den Captain und drehte sich zu ihm um. Bevor einer der Brückenoffiziere reagieren konnte, zog er seine Waffe und feuerte zwei Schüsse ab. Erst dann traf ihn ein Schuss aus der Waffe von Dan Wilson und ließ ihn zu Boden sinken. "Captain!" Der erste Offizier Marc Nolen beugte sich über Captain Jonas. "Benjamin!" Doch es war zu spät. Fassungslos starrte Commander Nolen den Verräter an, der nun ebenfalls regungslos am Boden lag. Er hatte es geschafft: Für die Aktivierung der Waffe war die Authorisation durch Captain Jonas oder einen Admiral erforderlich, er hatte dem Tiger die Klauen gestutzt.
"Bringen Sie die beiden von Deck!", ordnete Commander Nolen an. "Kontaktieren Sie Admiral Denning auf Raumbasis 12, wir brauchen..." - "Befehl zurück!", unterbrach ihn Dr. Cohen. "Computer, Stimmenüberpfüfung durchführen: Admiral James Cohen, Flottenkommando." - "Identität bestätigt." - "Ich übernehme hiermit das Kommando über die Flotte. Authorisation Stufe 1 für Einsatz der Plasmakanone." - "Stufe 1 authorisiert." Noch etwas fassungslos setzte Commander Nolen die Authorisationssequenz fort, die von Lieutenant Wilson komplettiert wurde. Die Deckplatten vibrierten, als der Fusionsreaktor die Kanone mit Energie versorgte. "An die Flotte, hier spricht Admiral James Cohen. Nehmen Sie Formation Delta ein. Alle Waffen feuerbereit." Bis an die Zähne bewaffnet erwarteten sie die Catanische Flotte.
Langsam näherte sich die Catanische Flotte und hielt vor der Grenze an. Admiral Cohen zählte 15 schwere Schlachtkreuzer, alle von der Kampfstärke der Tigerclaw. "Öffnen Sie einen Kanal zu dem Führungsschiff." Kommunikationsoffizier Ben Logan nickte. "Hier spricht Admiral James Cohen, Kommandant der Unionsflotte. Ziehen Sie sich in Ihren Raum zurück. Das Überschreiten der Grenze werden wir als kriegerischen Akt betrachten." Er wartete. Es regte sich nichts. Ben Logan vergewisserte sich, dass die Catan die Botschaft erhalten hatten. Regungslos verharrte die mächtige Flotte direkt vor ihnen.
Plötzlich setzte sich das Führungsschiff in Bewegung und eröffnete das Feuer auf die Tigerclaw. Sekunden später folgten die anderen Schiffe über die Grenze und griffen die Unionsflotte an, die das Feuer erwiderte. Die Catanischen Schlachtschiffe konzentrierten ihr Feuer auf die stark gepanzerten Unionsschlachtkreuzer. Zwar riefen ihre Waffen nur geringe Schäden hervor, aber sie waren drei zu eins überlegen. "Richten Sie die Plasmakanone auf das Führungsschiff und feuern sie, wenn bereit!", befahl Admiral Cohen. Lieutenant Wilson folgte dem Führungsschiff, das gerade einen Angriff auf die Bearpaw flog und der Tigerclaw damit die Breitseite zuwandte. Schließlich feuerte er die Waffe ab.
Der Rückstoß der umgebauten Waffe schüttelte die Tigerclaw kräftig durch und riss einige Offiziere von den Beinen. Admiral Cohen blickte auf den Bildschirm. Das Catanische Führungsschiff trieb antriebslos im Raum und wurde nun von einem Angriffsgeschwader unter Feuer genommen. Damit hatte die Tigerclaw die Aufmerksamkeit der Catan auf sich gezogen. Zwei Catanische Schlachtkreuzer ließen von der schwer beschädigten Falconeye ab und griffen nun mit zwei weiteren die Tigerclaw an. Eines der Schiffe näherte sich frontal und wurde von einem weiteren Schuss aus der Plasmakanone außer Gefecht gesetzt. Zwei anderen nahmen die Flanke der Tigerclaw unter Feuer und legten ihren Backbordantrieb lahm. Nun eilte die Lionheart zur Hilfe und nahm sich die Antriebe der angreifenden Schiffe vor, deren Waffen von den schnellen Angriffsjägern unter Beschuss genommen wurden. So lahmgelegt wurden sie leichte Opfer für die Tigerclaw. Mit einem gezielten Schuss auf den Antrieb überlastete sie den Hauptreaktor des näheren Schiffes, dessen Detonation auch das zweite Schiff erfasste und entgültig außer Gefecht setzte.
Die Schlacht forderte auf beiden Seiten Verluste. Die Falconeye war kampfunfähig und schwer beschädigt. Die Bearpaw war manövrierunfähig und von Catanischen Angriffsjägern umringt. Sieben Catanische Schlachtkreuzer waren noch übrig und flogen wechselnd Angriffe auf die Tigerclaw, die von der Eaglewing und der Lionheart flankiert wurde. Ein Catanischer Angriffskreuzer löste sich aus dem Verband und ging auf Kollisionskurs mit der Tigerclaw, die nur noch über ihren Heckantrieb und die mächtige Plasmakanone verfügte. Die Lionheart aktivierte ihren Hauptantrieb und rammte den Angriffskreuzer mit dem Bug, bevor er Breitseite der Tigerclaw treffen konnte. Dabei geriet sie in die Bahn zweier Catanischer Schlachtkreuzer, die ihre Flanke trafen und die schwere Panzerung durchbrachen. In einem großen Feuerball gingen die Schiffe in Flammen auf.
Die übrigen fünf Schlachtkreuzer griffen nun gemeinsam frontal die Tigerclaw an und richteten ihr Feuer auf die Plasmakanone. Zwei davon konnte die Tigerclaw mit ihrer Wunderwaffe außer Gefecht setzen, bevor sie in Schussweite waren. Eines wurde von der Eaglewing unter Beschuss genommen, bis es ebenfalls kampfunfähig war. Die beiden anderen erreichten ihr Ziel und legten die Plasmakanone der Tigerclaw lahm. Die Eaglewing hatte nun mit einigen Angriffskreuzern zu kämpfen, während die Unionskreuzer die übrigens Schlachtkreuzer der Catan angriffen. Die beiden noch funktionstüchtigen Schlachtkreuzer versuchten, in den Raum der Union durchzubrechen, der von der Eaglewing tapfer verteidigt wurde. Es gelang ihr, die Antriebe beider Schiffe lahmzulegen, bevor sie selbst schwer getroffen wurde und kampfunfähig war.
Zwei der antriebslosen Catanischen Schlachtkreuzer waren noch feuerbereit. Einer von ihnen wurde von den kläglichen Resten der Angriffsjägerstaffel unter Feuer genommen und von zwei Angriffskreuzern verteidigt, die aber den schnellen Unionsschiffen unterlegen waren. Der andere lag vor der kampfunfähigen Tigerclaw und feuerte beständig auf ihre Bugpanzerung, die allmählich schwächer wurde. Der Antrieb des Schlachtkreuzers hatte nur leichte Schäden und es war absehbar, dass er bald wieder mobil sein würde, um Kurs auf den Unionsraum zu setzen. Admiral Cohen gab den Befehl, den Heckantrieb zu zünden. Der Bug der Tigerclaw bohrte sich tief in den Rumpf des letzten Catanischen Schiffes.
Allmählich lichtete sich der Rauch der Schlacht. Die Unionsflotte hatte es geschafft, der Angriff der Catan wurde zurückgeschlagen, aber mit schweren Verlusten. Ein Schlachtkreuzer zerstört, die übrigen vier schwer beschädigt. Fast die Hälfte der kleineren Schiffe hatte es auch erwischt. Auf der Seite der Catan sah es noch verheerender aus. Kein einziges Schiff der einst so mächtigen Flotte hatte die Schlacht überstanden. Admiral Cohen räumte einige Trümmer zur Seite und richtete dann das Wort an die Flotte: "Wir standen heute am Abgrund des Krieges. Aber dank des tapferen Einsatzes der Männer und Frauen der Unionsstreitkräfte konnten wir uns dem Angriff widersetzen. Dieser Tag wird niemals vergessen werden." Dann sank auch er kraftlos zu Boden.