Jack's Mädchen

Ich saß in Jim's Bar, wie so oft am Abend, und trank das zweite Bier, als er hereinkam. Er war gut gelaunt, lachte, setzte sich an den Tresen und bestellte einen Whiskey. Ich hatte ihn schon oft in der Bar gesehen, kannte ihn aber nicht näher. Alles, was ich über ihn wusste, war, dass er Jack hieß. Jim, der Barkeeper, hatte ihn ein paar Mal so genannt. Meistens trank er Whiskey, flirtete mit den Mädchen oder erzählte Geschichten. Heute war wieder einer dieser Tage, an denen er erzählte, wie toll er doch sei und was er wieder tolles erlebt hatte. Er war wie ein Jäger, der von seiner Beute erzählte und davon, wie er sie erlegt hatte. Diesmal hatte er scheinbar einen besonders guten Fang gemacht und wollte allen in der Bar davon erzählen.

"Sie war verdammt heiß!" erzählte Jack. "Wir waren die ganze Nacht zusammen! Im Bett, auf dem Boden, auf dem Sofa, sogar auf dem Schreibtisch! Sie war so verdammt gut... und konnte nicht genug bekommen!" Er lachte dabei und trank seinen Whiskey. Ich belächelte ihn. Ob das stimmte, was er erzählte, wusste ich nicht. Eigentlich war es mir auch egal. Ich erinnerte mich daran, dass er am Vortag ein blondes Mädchen abgeschleppt hatte. Vermutlich sprach er von ihr. Ich wandte mich wieder meinem Bier zu und hörte nicht weiter hin.

Jack schien mein Desinteresse zu bemerken. Er setzte sich neben mich und klopfe mir auf die Schulter. "Was ist los mit dir, Sportsfreund?" fragte er. "Bist du nicht wegen der Mädchen hier?" Ich sah ihn an und schüttelte den Kopf. "Nein, ich vertreibe mir nur die Zeit." sagte ich und trank einen Schluck Bier. Jack lachte. "Junge, du verpasst was! Hier gibt's die heißesten Mädchen im Umkreis von 100 Meilen - glaub mir, ich weiß wovon ich rede!" Ich lächelte ihn an. "Ja, da bin ich mir sicher." sagte ich. "Ich habe dich hier schon ein paar Mal gesehen - du nimmst öfter Mädchen mit." Jack nickte und trank einen Schluck Whiskey. "Aber Hallo!" sagte er lachend. "Solche Mädchen wie hier kannst du dir doch nicht entgehen lassen!"

Ich schwieg einen Moment und sah ihn an. "Hast du schon mal mit einem Mädchen geschlafen, das dich liebt?" fragte ich nach einer Weile. Er sah mich etwas verdutzt an. "Na und ob sie mich lieben!" lachte er. "Mich kennt bestimmt jedes zweite Mädchen hier - und die anderen wollen mich kennenlernen und von mir abgeschleppt werden! Ich muss mir nur eine aussuchen..." Ich schüttelte den Kopf. "Nein, das meinte ich nicht." sagte ich ruhig. "Es geht mir nicht darum, ob sie Spaß am Sex haben und Spaß mit dir haben wollen. Ich meinte, ob dich schon mal ein Mädchen geliebt hat."

Jack sah mich verständnislos an. Ich nahm noch einen Schluck Bier. "Weißt du", fuhr ich fort, "Es gibt zwei Arten von Mädchen. Auf der einen Seite gibt es Mädchen wie deine, die Spaß am Sex haben, am liebsten jede Nacht. Sie warten in einer Bar wie dieser, bis irgendjemand vorbeikommt, sie abschleppt und ihnen gibt, was sie brauchen. Es ist ihnen ganz egal, wer das macht - Hauptsache, er macht es gut. Dann haben sie eine Nacht lang ihren Spaß, nehmen sich, was sie wollen. Am nächsten Morgen sind sie weg - und am nächsten Abend mit einem anderen im Bett, um wieder neuen Spaß zu haben." Ich machte eine kurze Pause und trank noch einen Schluck. "Auf der anderen Seite gibt es aber auch Mädchen, denen geht es nicht um Sex. Sie sind schüchtern, verschlossen, lassen niemanden an sich ran. Ihnen geht es um Gefühle. Oft haben sie sehr starke Gefühle - aber ihr Herz ist auch sehr verletzlich. Man muss ganz vorsichtig und liebevoll mit so einem Mädchen umgehen. Aber wenn man ganz behutsam mit ihrem Herzen ist, dann verschenkt sie es. Wenn du gut zu ihr bist, sie immer gut behandelst, verliebt sie sich irgendwann in dich. Solche Gefühle wachsen langsam - irgendwann liebt sie dich. Und wenn sie dich liebt, dann möchte sie alles für dich tun, nur damit du glücklich bist. Dann wird sie auch mit dir schlafen wollen. Es wird ihr dabei nicht um ihren eigenen Spaß gehen - sondern einzig und allein darum, dass du glücklich bist. Sie wird alles dafür geben, alles was sie geben kann. Nur für dich. Hast du schon mal mit so einem Mädchen geschlafen?"

Ich trank mein Bier aus und sah Jack an. Sein Blick war leer, ausdruckslos. Das überlegene Lachen, das Siegergesicht - es war veschwunden. Da war nur noch Leere. Ich legte das Geld auf den Tresen und ging, ohne noch einmal zurückzusehen. Es war das letzte mal, dass ich Jack in der Bar gesehen habe.