Fasching ist die Zeit im Jahr, zu der Menschen wohl die verrücktesten Sachen machen. Sich verkleiden, über platte Späße lachen, zusammen singern und feiern und sich hemmungslos betrinken. Ich konnte diese Angewohnheiten noch nie nachvollziehen. Aber irgendwie haben es ein paar Freunde von mir dann doch geschafft, mich zu überreden. Also habe ich mich verkleidet - als Bankräuber, dazu braucht man ja nicht viel Phantasie oder Kostüm - und bin mit auf den Fasching gegangen. Aber da habe ich mich von Anfang an nur unwohl gefühlt. Die Hälfte der Leute war betrunken, die Musik war grauenvoll und auch sonst machte mir das alles keinen Spaß. Deshalb habe ich mich schon nach einer knappen Stunde aus dem Staub gemacht. Es war sternenklar und so nutzte ich den angefangenen Februarabend für einen Spaziergang an der Alster entlang.
"Stehenbleiben - Polizei!", rief eine helle Frauenstimme hinter mir. Instinktiv blieb ist stehen und hob die Hände. "Die Waffe fallenlassen und dann langsam undrehen!" rief die Stimme. Ich nahm meine Spielzeugpistole und ließ sie auf den Boden fallen. Dann drehte ich mich langsam um. Jenseits des beleuchteten Weges konnte ich die Umrisse einer sehr zierlichen Person ausmachen, die eine Waffe auf mich richtete. Dann kam sie langsam auf mich zu, oder besser gesagt, sie humpelte. Als sie in den Schein der Laternen trat, blickte ich in das Gesicht einer sehr hübschen, jungen Polizistin. "Was wird das? Ein Raubzug während alle anderen Leute Fasching feiern oder was?" Sie hielt mich also für einen Einbrecher, da hatte ich mir ja ein tolles Kostüm ausgesucht. "Nein, das ist nur eine Verkleidung..." - "Das kann ja jeder sagen! Willst du jetzt ein Geständnis ablegen oder soll ich dich gleich erschießen?" Ich war wie gelähmt bei diesen Worten. Bevor ich mich fassen und etwas sagen konnte, richtete Sie die Pistole auf meine Brust und betätigte den Abzug.
In diesem Augenblick hatte ich das Gefühl, die Zeit würde stillstehen. Dann traf mich ein dünner Wasserstrahl. Die junge Dame lachte. "Oh Mann, ich wünschte ich hätte jetzt einen Spiegel! Du solltest dein Gesicht sehen!" Ich konnte es immer noch nicht fassen. "Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Du bist also keine Polizistin? Und deine Verletzung ist auch gespielt?" fragte ich und nahm die Hände runter. "Die Uniform ist nur Verkleidung, die Verletzung leider nicht...", entgegnete sie und setzte sich auf eine Bank am Wegrand. "Eigentlich wollte ich zu einer Party, aber ich hab mir den Fuß verstaucht und kann kaum laufen." Ich setzte mich zu ihr und versuchte, sie zu trösten. "Mach dir nichts draus. Auf der Party, auf der ich war, gibt es jetzt eh keinen Bankräuber mehr zu verhaften." Lächelnd schaute sie mich mit ihren himmelblauen Augen an und strich ihr schulterlanges, blondes Haar zurück. "Stimmt, einen Gauner habe ich jetzt."
"Außerdem hat man von hier aus einen wundervollen Blick auf die Sterne.", fügte ich hinzu. Schweigend blickte sie über die Alster in Richtung Westen. "Ich liebe die Sterne. Sie sind so wunderschön und doch so weit weg..." Dem konnte ich nur zustimmen. "Schau mal, da ist Orion, der Jäger." Ich deutete auf ein paar Sterne über uns. "Und dort im Norden findest du Andromeda, die an einen Felsen gekettet ist. Aber Perseus, ihr Retter, ist auch schon ganz nah." Sie fröstelte ein wenig und rückte mir etwas näher. Vorsichtig legte ich meinen Arm um sie, um sie zu wärmen. "Und was passiert mit den beiden?", fragte sie mit zarter Stimme. "Perseus tötet das Ungeheuer, das die schöne Andromeda verspeisen will, und befreit sie." - "Eine schöne Geschichte..." Bei diesen Worten legte sie ihren Kopf auf meine Schulter. Es war ein sehr schönes Gefühl und für einen Moment schloß ich die Augen.
Als ich die Augen wieder öffnete, erblickte ich einen hellen Lichtpunkt über dem Horizont. "Schau mal, die Venus." - "Die Göttin der Liebe.", flüsterte die junge Dame in meinem Arm. Sie nahm den Kopf von meiner Schulter und wir sahen einander in die Augen. Ganz langsam kamen wir uns näher, bis sich unsere Lippen berührten. Wir küssten uns sehr sanft. Ihre Lippen wahren zart wie Samt und ich genoß dieses Gefühl sehr. Allmählich küssten wir uns etwas mehr. Sehr zärtlich hielt ich sie im Arm. Es war ein sehr langer und wunderschöner Kuss. Nach einer Weile lösten wir uns wieder voneinander und sahen uns in die Augen. "Erzähl mir mehr über die Sterne.", flüsterte sie mit engelsgleicher Stimme und kuschelte sich ganz dicht an mich.
Liebevoll hielt ich sie im Arm und zeigte ihr die Sterne, vom kleinen und vom großen Bären und von den Sternbildern des Tierkreises. Je mehr ich ihr erzählte, desto mehr kuschelten wir uns aneinander und umarmten uns sehr innig. Es wurde allmählich kälter unter dem sternenklaren Himmel und ich konnte spüren, wie die Dame in meinem Arm fror. "Soll ich dich nach Hause bringen? Ich kann dich auch stützen..." Sie lachte leise. "Dann musst du mich aber 40km stützen, ich wohne nämlich nicht in Hamburg." - "Na gut, dann fahre ich dich eben heim." - "Und was ist mit meinem Auto? Das können wir ja kaum mitnehmen... Ich glaube, ich suche mir jetzt besser eine Bleibe für diese Nacht." Langsam löste sie sich aus meiner Umarmung. "Du kannst bei mir übernachten, wenn du möchtest." - "Wirklich? Das wäre nett von dir..." - "Klar, es ist auch nicht weit." Ich half ihr hoch und sie legte ihren Arm um mich, damit ich sie stützen konnte. Ich legte meinen Arm um ihre Taille und wir gingen gemeinsam an der Alster entlang.
Nach einer Weile erreichten wir meine Wohnung. "Magst du was trinken? Eine Tasse Tee vielleicht?" - "Gerne!" - "Gut, dann mache ich uns jetzt einen Tee, und während der zieht, schaue ich mir mal deinen Fuß an." Angy, so lautete ihr Spitzname, den sie mir unterwegs verraten hatte, setzte sich aufs Sofa. Ich goss einen Tee auf und holte etwas Verbandszeug. Dann setzte ich mich zu ihr aufs Sofa und kümmerte mich um ihren Fuß. "Das ist nicht weiter schlimm, ich mache dir eine Salbe drauf, dann kannst du morgen bestimmt wieder laufen." Vorsichtig legte ich ihr einen Verband an. Danach tranken wir zusammen Tee und hatten einander sehr viel zu erzählen, von Sternen, Gedichten und anderen schönen Dingen. Die Zeit verging wie im Flug und schon bald war es Mitternacht.
"Wo kann ich denn bei dir schlafen?" - "Am besten, ich schlafe heute auf dem Sofa, dann kannst du in meinem Bett schlafen." Zögerlich stimmte Angy meinem Vorschlag zu. Ich zeigte ihr mein Schlafzimmer, wünschte ihr eine gute Nacht und gab ihr ein Gute-Nacht-Küsschen. Dann holte ich mir eine Wolldecke, zog mein Bankräuber-Kostüm aus und legte mich aufs Sofa. Es war schon etwas älter und ziemlich unbequem. Ständig drückte mich etwas im Rücken und ich konnte nicht einschlafen. Schließlich ging es einigermaßen und ich schloß die Augen, konnte aber immer noch nicht schlafen. Ich hörte leise Schritte, die langsam näher kamen und öffnete die Augen.
"Kannst du auch nicht schlafen?", fragte Angy, die sich in meine Bettdecke gewickelt hatte. "Nicht wirklich... Das Sofa ist nicht gerade das bequemste." - "Dann komm doch zu mir, das Bett ist groß genug für uns beide." Wir gingen in mein Schlafzimmer und legten uns nacheinander ins Bett. Aber wir schliefen noch nicht gleich, sondern erzählten einander noch eine Gute-Nacht-Geschichte. "Mir ist kalt... Kannst du mich wärmen?", fragte Angy mit zarter Stimme. Zärtlich nahm ich sie in den Arm und wie kuschelten uns dicht aneinander. Noch einmal küssten wir uns sanft und sehr lange, bevor wir gemeinsam, Arm in Arm einschliefen.