Teil 1 - Die Entdeckung

Liza und ich sahen in die Sterne. Schon lange hatten wir uns darauf gefreut, Mitte August den alljährlichen Sternschnuppenschauer der Perseiden gemeinsam zu beobachten. Wir zählten die Sternschnuppen und wünschten uns etwas, ohne es dem anderen zu verraten. "Schau mal" sagte Liza, "Die da ist besonders schön." Sie deutete auf den Himmel und tatsächlich war eine große Sternschnuppe zu sehen, die über den Himmel zog und nicht annähernd so schnell verlöschte wie die anderen. "Stimmt, die ist riesig - und sie kommt aus einer anderen Richtung als die anderen." bemerkte ich und verfolgte ihren Weg am Nachthimmel. Immer größer wurde die Sternschnuppe und leuchtete heller und heller. "Man könnte fast meinen, die kommt direkt zu uns..." stellte Liza mit leicht verträumtem Blick fest. "Man könnte meinen?" rief ich, als die Sternschnuppe fast so hell war wie der Mond, "Sie tut es!" Etwas helles schoß mit lautem Donnern über unsere Köpfe hinweg. Nur wenige Sekunden später verkündete ein noch lauteres Donnern seinen Einschlag. "Bei den Göttern, was war das?" fragte Liza erschrocken. "Ein Meteorit!" Begeistert lief ich ins Haus und kramte herum. "Komm, lass uns nachsehen, was noch davon übrig ist. Der kommt in meine Sammlung!" Liza sah mich skeptisch an. "Meinst du nicht, dass das Ding ziemlich heiß ist? Außerdem, wer weiß, wo er eingeschlagen ist..." Aber ich hatte bereits Taschenlampen und Werkzeug zusammengepackt. "Das Donnern hat nur 10 Sekunden gebraucht, also sind es um die 3 Kilometer. Und morgen ist vielleicht schon jemand schneller gewesen." Bevor Liza Einspruch erheben konnte, machte ich mich auf den Weg und sie folgte mir.

Eine ganze Weile streiften wir durch den Wald, ohne auch nur eine Spur des Meteoriten zu finden. Nichts deutete auf einen Einschlag hin. Als wir es schon fast aufgeben wollten, fanden wir etwas ungewöhnliches. Einige Bäume waren umgeknickt und bildeten eine Schneise, die einige 100 Meter lang war. Am Ende der Schneise hatte sich ein kleiner Krater gebildet. Neugierig gingen wir hin und sahen hinein, doch von dem Meteoriten war nichts mehr zu sehen. "Das war wohl nichts." kommentierte Liza, doch ich wollte noch nicht aufgeben. "Abwarten, vielleicht sind noch ein paar Reste an den Kraterwänden." Langsam kletterte ich hinunter und ging dann auf die Mitte des Kraters zu. "Es wäre schade, wenn er vollständig verdampft..." KLONG! Ich taumelte zurück und hielt mir den Kopf. Dann sah ich wieder nach vorne: Nichts. "Manu? Ist alles in Ordnung?" rief Liza besorgt. "Ja, es geht mir gut." log ich. Ich richtete meine Lampe auf die gegenüberliegende Kraterwand und sah, wie ihr Lichtschein den Erdboden erhellte. Dann tastete ich mich mit ausgestreckten Armen vor. Plötzlich spürte ich etwas hartes, metallisches. Es war glatt und warm - aber nicht zu sehen. "Liza, komm mal her und sieh dir das an! Oder besser gesagt, fühl mal!" Liza warf mir einen Blick zu, bei dem ich mir nicht sicher war, ob sie mich für übermüdet oder für einen Scherzkeks hielt. Ungläubig stieg sie zu mir herab und ging auf die Kratermitte zu. "Vorsichtig!" warnte ich sie noch, doch schon gab es ein ähnliches Geräusch wie bei meinem ersten Kontakt mit dem Objekt und Liza hielt sich die Stirn. "Was ist das denn?" fragte sie, als wäre ich die Bibliothek von Alexandria. "Keine Ahnung - bleib am besten da, ich taste es mal ringsum ab." - "Es geht aber schneller, wenn ich dir entgegenkomme." warf Liza ein. Ich hatte mir abgewöhnt, ihr zu widersprechen, wenn sie mir helfen wollte. Dagegen konnte ich ohnehin nichts tun. Schweigend gingen wir um das rätselhafte, unsichtbare Objekt.

"Hier ist etwas!" rief Liza nach einer Weile. Ich tastete mich um das Objekt bis zu der Stelle, auf der ihre Hand ruhte. "Genau hier - überall sonst ist es glatt, aber hier nicht." Tatsächlich spürte ich eine Vertiefung, deren Form grob an eine Hand erinnerte, aber nur vier "Finger" hatte, die deutlich länger waren als meine. Ich legte meine Hand hinein, aber sie passte natürlich nicht ganz. "Leg mal deine Finger hier über meine." bat ich Liza. Sie tat es und auf einmal ertönte ein seltsames Geräusch. Wir wichen zurück und sahen zu, wie sich das Objekt öffnete. Es war ein sehr befremdlicher Anblick, als sich mitten im Nichts eine Art Tor öffnete, aus dem eine Rampe gefahren wurde. Liza und ich sahen einander schweigend an. "Ich werde mal reingehen und du..." - "Ich folge dir." ergänzte Liza meinen Satz. "Nein, du wartest hier - ich seh mir das lieber erst mal alleine an." Liza protestierte, doch als ich ihr androhte, wieder nach Hause zu gehen, gab sie nach. Ich nahm eine Taschenlampe mit und ging hinein.

Hinter der Tür erstreckte sich ein breiter Gang, dessen Wände ganz glatt waren. Es waren keine Lampen zu sehen, doch er war von einem gleichmäßigen, warmen Licht erfüllt. Nach einigen Metern erreichte ich eine Kreuzung und entschied mich, links abzubiegen. Auf beiden Seiten des Ganges waren je vier Schiebetüren, die über einen ähnlichen Mechanismus verfügten wie die Eingangsluke. Am Ende das Ganges war eine vollkommen durchsichtige Schiebetür, die in einen großen Raum zu führen schien. Als ich darauf zuging, öffnete sie sich nahezu lautlos. Was ich dort sah, füllte mich gleichzeitig mit Staunen und mit Erschrecken. Ich fand mich in einem großen Raum wieder, bei dem es sich offenbar um die Brücke eines Raumschiffes handelte. Die Wände waren mit großen Monitoren und zahlreichen Bedienelementen versehen. Ringsum zählte ich 6 Arbeitsstationen, jede von ihnen mit einer Art Stuhl davor und mit einem abgegrenzten Bereich von Eingabe- und Anzeigeinstrumenten. Die Mitte der Brücke bildeten ein Stuhl, um den ebenfalls einige Kontrollen angeordnet waren, sowie ein runder Tisch. Mir lief ein kalter Schauer über den Nacken, denn die Stühle waren nicht leer Auf ihnen saß die Crew des Schiffes - regungslos. Mir wurde schnell klar, dass sie nicht überlebt hatten. "So etwas habe ich noch nie gesehen..." murmelte ich vor mich hin, während ich über die Brücke ging.

"Ich auch nicht." sagte eine elfenhafte Stimme hinter mir. Zu Tode erschrocken drehte ich mich um. "Liza! Was machst du denn hier?" - "Mich umsehen. Wenn du mich schon nicht mitnimmst, dann folge ich dir eben heimlich." Ich seufzte. Liza ging über die Brücke und blieb vor den Leichen der Crew stehen. "Sind sie...?" Sie schluckte. Ich berührte tröstend ihren Arm. "Ja, es sieht ganz danach aus." Gemeinsam gingen wir zu dem runden Tisch, der das vordere Zentrum der Brücke bildete. Als wir darauf zugingen, flackerte er kurz auf. "Das Schiff scheint auch beschädigt zu sein." sagte ich und brach damit das Schweigen. Liza nickte und deutete auf die gegenüberliegende Wand, wo einige Kabel aus einer Luke heraushingen. "Da ist wohl auch was kaputt." Ich wollte es mir gerade ansehen, als der Tisch erneut zu leuchten begann und darüber etwas aus dem Nichts aufzutauchen schien. Mir wurde schnell klar, dass es sich um ein Hologramm handelte. Es zeigte einen Stern, um den einige Planeten kreisten. "Das ist ja unser Sonnensystem!" rief ich erstaunt. Liza sah es sich aus der Nähe an. "Tatsächlich. Merkur, Venus..." - "Und da ist Mars!" jubelte ich und deutete mit dem Zeigefinger darauf. Kaum hatte ich das getan, änderte sich die Ansicht. Statt des Sonnensystems war nun nur noch der Mars zu sehen, sehr detailliert sogar. "Was war das denn?" fragte ich und sah Liza verblüfft an. Sie schmunzelte. "Gratuliere, du hast den Zoom gefunden." Ich nahm ihre Worte kaum wahr und betrachtete begeistert, wie viele Details auf der Marsoberfläche zu sehen waren. "Ich frage mich, wie dicht man da ranzoomen kann... Vielleicht funktioniert das wie Google Earth." - "Google Mars..." kommentierte Liza. Ich tippte auf den Olympus Mons, den größten Berg auf dem Mars, bei dem es sich um einen erloschenen Vulkan handelt. Sofort erschien er noch etwas größer. Man konnte sogar das Innere des Kraters erkennen, das eine staubige und felsige Ebene bildete. Vorsichtig tippte ich hinein, um noch näher heranzuzoomen, doch es funktionierte nicht. Stattdessen begann das Raumschiff leise zu vibrieren.

"Was hast du gemacht?" fragte Liza und sah mich erschrocken an. "Nichts!" beteuerte ich. Auf der Vorderseite der Brücke leuchtete ein großer Monitor auf, der den Ausblick nach vorne und damit die Bäume vor dem Raumschiff zeigte. Der Boden zitterte leicht und die Bäume bewegten sich langsam auf dem Monitor nach unten. "Ich glaub', ich schiele!" rief Liza, "Das war der Startknopf!" Ratlos sah ich den Kontrolltisch an. "Wie hält man das an? Gibt es denn keine Escape-Taste?" - "Probier doch Steuerung-Alt-Entfernen." warf Liza ein. Ich fuchtelte über dem Tisch rum, doch es half nichts. Unaufhaltsam stieg das Schiff in den Nachthimmel. Dann auf einmal gab es ein lautes Rumoren von sich und für einen Moment fühlte es sich an, als würde der gesamte Raum in sich zusammenfallen. Ein wenig benommen sah ich auf den Monitor, dessen Bild nun etwas verzerrt war und die Sterne zeigte. Liza klammerte sich an ein Kontrollpult. "Ich glaube, ich werde seekrank..." klagte sie. "Wenn, dann wirst du raumkrank." entgegnete ich und suchte instinktiv nach den Papiertüten, die für solche Fälle an Bord eines Flugzeuges zu finden sind, allerdings vergeblich. In der Zwischenzeit war in der Mitte des vorderen Bildschirmes ein rotes Objekt aufgetaucht, das nun immer größer wurde. Man konnte bereits die Polkappen des Mars erkennen, als der Raum wieder in sich zusammenzufallen schien und das Schiff in den Landeanflug überging. Langsam näherte es sich dem Olympus Mons und setzte sanft in der Mitte des Kraters auf.

Liza und ich konnten kaum fassen, was gerade geschehen war. Wir hatten auf der Suche nach einem Meteoriten ein Raumschiff gefunden und waren gerade damit auf dem Mars gelandet. Doch es stand zweifelsfrei fest. Der Bildschirm zeigte den wolkenlosen, rosafarbenen Himmel über dem Planeten Mars. "Und jetzt?" fragte Liza und sah mich vorwurfsvoll an. Ich ging auf den Tisch zu. "Naja, ist doch ganz leicht - jetzt mache ich das gleiche mit der Erde und wir fliegen wieder zurück. Dann ist gar nichts passiert." Liza stöhnte. "Männer..." Diesen Kommentar ignorierte ich schweigend und hantierte wieder an dem Tisch herum. Er zeigte wieder das Sonnensystem und ich berührte zuerst die Erde und zoomte dann an den Wald heran, wo wir das Schiff gefunden hatten. Dann kam mir eine Idee. "Weißt du was? Am besten landen wir auf der großen Pferdeweide an der Landstraße, die wird im Moment nicht genutzt." Liza runzelte die Stirn. "Direkt an der Landstraße? Damit es jeder sieht? Warum landen wir nicht wieder im Krater?" Ich warf ihr einen wissenden Blick zu. "Das Schiff kann man doch gar nicht sehen, es hat doch eine Tarnvorrichtung. Man kann es nur finden, wenn man dagegenläuft, so wie wir vorhin. Und auf der Wiese läuft kein Mensch rum, aber der Krater ist morgen sicher voller Schaulustiger." Liza nickte. "Stimmt." Inzwischen war mir die Bedienung des Holotisches so vertraut wie die eines Navigationssystemes. Nach wenigen Handbewegungen begann das Raumschiff wieder zu vibrieren und hob langsam vom Boden ab. Wie auch auf dem Hinflug gab es auf dem Rückflug eine Phase, in der der Raum um das Schiff herum verzerrt schien und die uns etwas Unbehagen bereitete. Doch es dauerte nicht lange, bis wir wieder die Erde erreichten und auf der Weide landeten.

Erleichtert verließen Liza und ich das Raumschiff und schlossen danach die Zungangsluke, indem wir die Vertiefung in der unsichtbaren Schiffshülle berührten. Es war schon spät und wir machten uns auf den Heimweg. "Was machen wir jetzt mit dem Schiff?" fragte Liza. "Ich weiß nicht. Hier bleiben kann es nicht und wenn irgendwer davon erfährt, werden sicher irgendwelche Behörden hellhörig, vielleicht sogar das Militär. Außerdem: Was macht man mit einem Raumschiff? Durch den Weltraum fliegen! Irgendwer muss dieses Ding gebaut haben und ich frage mich, ob wir sie wohl finden... Wir brauchen nur noch ein paar Leute als Besatzung, aber ich habe schon wen im Kopf." Verträumt sah Liza in die Sterne. "Oh ja, das machen wir... Per aspera ad astra!"